Rechtliche Einordnung von Baumkontrollen

Rechtliche Grundlage, der im Gesetz nicht konkret geregelten Verkehrssicherungspflicht, ist der § 823 Absatz 1 und 2 BGB

823 BGB (Schadensersatzpflicht)

Absatz 1:

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Absatz 2:

Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht hat zum Inhalt, daß derjenige, der durch Eröffnung – Unterhaltung – oder (mit Einschränkungen) auch Duldung – eines Verkehrs auf seinem Grundstück oder auf andere Weise Quellen für Gefahren schafft, Vorkehrungen zu treffen hat, die dem Schutz Dritter vor diesen Gefahren dienen. In diesem Sinne können auch von Bäumen Gefahren ausgehen.

Wird die Verkehrssicherungspflicht schuldhaft, also vorwerfbar, verletzt und führt zu dem Schadenseintritt, ist eine Haftung aus unerlaubter Handlung die Folge.

Die Träger der Verkehrssicherungspflicht

Vereinfacht gesagt, sind grundsätzlich die Eigentümer, auf deren Grundstück ein Baum steht, auch für diesen verantwortlich. Die Verkehrssicherungspflicht kann allerdings kraft Gesetzes oder durch Rechtsgeschäft auf einen Dritten übergehen. Dies ist bei öffentlichen Straßen oder Parks in der Regel der Fall: Die Verkehrssicherungspflichtigen sind dann die Ämter oder Verwaltungen bzw. deren Mitarbeiter.

Die Grundsätze der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen und Baumkontrollen hat der Bundesgerichtshof in seinem richtungsweisenden Urteil vom 21.01.1965 (NJW 1965, 815) festgelegt.

Das Urteil beruht auf der Überlegung, dass Maßnahmen zu ergreifen sind, die zur Gefahrenbeseitigung objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind.

Dazu gehört eben auch, dass Bäume in bestimmten zeitlichen Abständen einer Baumkontrolle unterzogen werden müssen.

Häufigkeit der Baumkontrollen

Es gibt kein Gesetz oder allgemeingültige Verordnungen, welche die Häufigkeit der Baumkontrollen regeln.

Die Häufigkeit der Baumkontrolle spielt aber in vielen Gerichtsentscheidungen eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Haftungsbegründung.

Die Zeitabstände der Baumkontrolle können allerdings nicht isoliert betrachtet werden, da es stets auch auf den Standort und die Beschaffenheit der Bäume ankommt.

Es liegt auf der Hand, dass junge, gesunde Bäume einer geringeren Überwachung bedürfen als ältere, bereits vorgeschädigte Bäume, welche vergleichsweise öfter und gegebenenfalls eingehender kontrolliert werden müssen.

Darüber hinaus ist im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht auf die Verkehrsbedeutung der Straße sowie auf Art, Alter und Standort der Bäume abzustellen.

Die meisten Gerichte halten jedoch bei Straßenbäumen eine zweimalige Baumkontrolle, einmal im belaubtem und einmal im unbelaubtem Zustand, für erforderlich.

In der im Jahr 2004 erschienenen und 2017 neu aufgelegten Baumkontrollrichtlinie der FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e.V.), die von Gerichten häufig als Richtschnur gewählt wird, ist bei älteren Bäumen ohne Vorschäden allerdings nur noch eine einmalige Baumkontrolle pro Jahr gefordert.

Art der Baumkontrollen

Nach der Rechtsprechung ist grundsätzlich eine qualifizierte Sichtkontrolle ausreichend. Eine weitergehende fachkundige Prüfung ist erst beim Auftreten verdächtigter Umstände geboten.

Als Sichtkontrolle wird in aller Regel nur gründlicher Augenschein durch qualifizierte Kräfte vom Boden her gefordert.

Ein bloßes Abfahren einer baumgesäumten Straße ist z.B. von den Gerichten als ungenügend angesehen worden.

Es bedarf nach der Rechtsprechung des BGH nicht von vornherein des Einsatzes eines Hubsteigers, um die Sichtkontrolle durchzuführen.

Der Einsatz eines Hubsteigers zur Sichtkontrolle ist mit einem solchen Aufwand verbunden, dass er nicht mehr zur Regeluntersuchung gerechnet werden kann.

Bei dem Einsatz eines Hubsteigers handelt es sich bereits um eine eingehende fachliche Untersuchung, die erst bei dem Vorliegen verdächtiger Umstände geboten ist. So haben die Oberlandesgerichte Köln und Düsseldorf entschieden.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß erst wenn verdächtige Umstände bei den dargestellten routinemäßigen Sichtkontrollen bemerkt werden, eine eingehende fachkundige Untersuchung geboten ist.

Als verdächtige Umstände, die eine solche Prüfung nach sich ziehen müssen, hat die Rechtsprechung in Einzelfällen verschiedene Umstände angeführt – beispielsweise:

  • dürre Äste oder verdorrte Teile,
  • äußere Verletzungen,
  • ein hohes Alter des Baumes,
  • seinen Gesamtzustand

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht abhängig ist von:

  • dem Zustand des Baumes, der Baumart, der Vitalität, den bereits vorhandenen Vorschädigungen sowie allen Wachstumsbesonderheiten
  • dem Standort des Baumes, der Art der Straße oder des Weges, des Platzes oder der Nähe zu öffentlichen Verkehrsflächen sowie allen Besonderheiten des jeweiligen Standortes,
  • der Art des Verkehrs, die Verkehrshäufigkeit und auch hier allen Besonderheiten des Verkehrs an dem betreffenden Standort

Sollte wegen bestehender Defekte oder nicht visuell einzuschätzender Schäden eine eingehende fachliche Untersuchung notwendig sein, so ist diese nach dem jeweiligen Stand der Technik und Erfahrung durchzuführen. Es sind die neuesten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und technischen Untersuchungsmethoden bei der Untersuchung entsprechend anzuwenden.

Entsprechend sind der Verkehrssicherungspflichtige, der Baumkontrolleur und die Sachverständigen verpflichtet, sich über die Entwicklung auf dem Gebiet der Baumkontrollen zu informieren.

Folgen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht können Haftung und Schadensersatz, in Extremfällen sogar eine strafrechtliche Belangung sein.

Eine Haftung der Verkehrssicherungspflichtigen ist allerdings stets nur dann gegeben, wenn der Schaden für den Verkehrssicherungspflichtigen vorhersehbar war und die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ursächlich für den eingetretenen Unfall war.

Auch höhere Gewalt führt zum Haftungsausschluss, wobei unter höherer Gewalt ein unabwendbares Ereignis zu verstehen ist, das auch durch Anwendung äußerster, den Umständen nach möglicher und dem Verkehrssicherungspflichtigen zumutbaren Sorgfalt nicht zu vermeiden war.